Das Geheimnis der Spurenkennzeichnung

Einmal „Spuren von alles“, bitte?!

 

Letztens beim Bäcker:

Von 10 gekauften Weizenbrötchen waren 6 sichtbar verunreinigt mit Spuren von allem möglichen (s. Foto). Die Brötchen kamen aus dem „ganz normalen“ Brötchenfach, nicht vorne aus der Auslage, wo sonst alle möglichen Gebäcksorten liegen. Die Verunreinigung muss also schon vorher passiert sein.

 

Gelegenheiten für Kreuzkontamination beim Bäcker, also bei offen verkauften = unverpackten Lebensmitteln, gibt es ja reichlich: Rohstoffe, Teigherstellung, Ofen, Transport, Lagerung, Personal, Brotschneidemaschine, Greifzangen usw.

 

Kann Spuren von ... enthalten

Kann Spuren von … enthalten

Auch bei verpackten Lebensmitteln ist die Spurenkennzeichnung leider immer wieder verwirrend, vor allem, wenn Firmen sowas schreiben wie: „Ja, wir kennzeichnen freiwillig Spuren, können aber nicht ausschließen, dass unsere Rohstoffe mit Allergenen Kontakt hatten; fragen Sie bitte Ihren Arzt!“

Was verbirgt sich hinter so einer Aussage?

Sind die Produkte nun frei von Spuren, wenn keine Spuren draufstehen, oder eher nicht?

Kann ich der Kennzeichnung vertrauen oder nicht?

Und woher soll eigentlich mein Arzt das wissen, wenn die Firma es selbst nicht ausschließen kann?

 

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Das Geheimnis der Spurenkennzeichnung

Die Kennzeichnung von Spuren ist in der EU generell freiwillig, d.h. wenn auf einem verpackten Lebensmittel keine Spuren draufstehen, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass keine Spuren drin sind. Auch die Menge einer Spur oder die Formulierung von Spurenhinweisen sind nicht definiert.

 

Die deutsche Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) sieht grundsätzlich vor, dass Informationen auf Lebensmitteln vollständig und nicht irreführend sind. Das gilt sowohl für die Pflichtdeklaration als auch für freiwillige Informationen.

Keine gesetzliche Regelung in der EU

Aber: Für die Spurenkennzeichnung an sich gibt es in der EU keine gesetzliche Regelung, d.h. es ist weder definiert, wie viel eine „deklarierungswürdige“ Spur ist, noch, welche Kreuzkontaminationsgefahren auszuschließen sind oder wie weit eine mögliche Kreuzkontamination zurückverfolgt werden muss.

 

Das ist auch schwierig, weil dazu definiert sein müsste, wie viel Menge überhaupt Reaktionen hervorrufen kann und wie viel Prozent der Allergiker darauf reagieren würden (das ist inzwischen für mehrere Allergene anhand von Studien ermittelt, aber letztendlich sind das ja auch nur statistische Werte – schließt man 1% oder 5% der Betroffenen aus, die dann trotzdem reagieren können…?).

 

Außerdem müsste es möglich sein, diese „Spuren“ analytisch nachzuweisen und dies dann auch noch zu kontrollieren – ein weites Feld, wer da tiefer einsteigen möchte.

Was heißt das konkret für den allergischen Verbraucher?

Ein Beispiel:

Wenn eine Firma in ihrer Keksproduktion auf ein und derselben Anlage Kekse mit Weizen, Milch, Ei, Erdnüsse, Haselnüsse und Mandeln herstellt und freiwillig Spuren deklariert, muss (sollte) sie im Sinne von Vollständigkeit und Nicht-Irreführung bei den Keksen ohne Erdnüsse, Ei und Mandeln Spuren von diesen 3 Allergenen kennzeichnen.

Hersteller: Verantwortung an Verbraucher und Arzt abgeben

Allerdings baut die Firma ihren Weizen nicht selbst an und stellt das Mehl nicht selbst her; sie hat keine eigene Hühnerfarm, aus der sie ihre Eier bezieht; auch die Erdnüsse, Haselnüsse und Mandeln kommen nicht aus dem eigenen Garten, meist eher aus weiter entfernten Ländern. Gleiches gilt für die Rosinen und die vielen anderen Zutaten, die in einem industriellen Lebensmittelproduktionsbetrieb verarbeitet werden.

 

Für diese zahlreichen Zulieferer, d.h. die Vorgeschichte der einzelnen Zutaten, übernehmen die meisten Betriebe keine Verantwortung. Sie übernehmen in der Regel die Informationen, die ihnen die Zulieferer mitgeben, kontrollieren diese aber nicht. Manche Firmen wiederum haben strikte Vorgaben auch für ihre Zulieferer – aber natürlich auch ohne Garantie für den Verbraucher.

 

Sicherheitshalber folgt dann meist der Hinweis auf den Arzt. Kein Lebensmittelhersteller kann die Verantwortung für die Gesundheit des einzelnen Verbrauchers übernehmen; Diagnosen und Empfehlungen obliegen dem Arzt.

Gemeint ist wohl:

Lieber Verbraucher, wir können dir keine Spurenfreiheit garantieren, also frage bitte deinen Arzt, was du essen darfst.

Kennzeichnungs-Fehler

Zurück zu unserer Beispiel-Keksproduktion:

Würde diese Firma auf den Keksen ohne Erdnüsse, Haselnüsse und Mandeln lediglich Spuren von Mandeln kennzeichnen, wäre das nicht in Ordnung, denn sie verarbeiten ja auch Erdnüsse und Haselnüsse = „kann Spuren von Erdnüssen und Nüssen enthalten“.

 

Gleichwohl kann man sie dafür nicht unbedingt verklagen (denkbare krasse Einzelfälle vielleicht mal ausgenommen), sondern nur ermahnen, und es gibt auch keinen verpflichtenden Rückruf, wenn solche Kennzeichnungsfehler aufkommen. Rückrufe, die man manchmal zum Thema Spurenkennzeichnung liest, sind rein freiwillig im Sinne des vorbeugenden Verbraucherschutzes.

Freiwilligkeit = Restrisiko

Ohne gesetzliche Grundlage ist und bleibt die Spurenkennzeichnung freiwillig mit vielen Spielräumen. Ohne entsprechende Grenzwerte, Analyseverfahren, Kontrollmöglichkeiten etc. sind gesetzliche Grundlagen in näherer Zukunft nicht zu erwarten. Für den allergischen Verbraucher bedeutet das immer ein gewisses Restrisiko, wenn er/sie nicht alles selbst produzieren möchte.

Ausnahme: „Frei von“

Eine Ausnahme bilden „Frei von“-Lebensmittel: Diese MÜSSEN tatsächlich „frei von“ sein, also auch frei von Spuren. „Frei von“ kennt man vor allem im Zusammenhang mit glutenfreien Produkten. Vereinzelte Hersteller bieten auch Produkte frei von diversen Allergenen, teilweise zu finden in Reformhäusern oder im speziellen Onlinehandel (sehr zu empfehlen z.B. die FoodOase mit Allergenfilter!). Das ist fantastisch und sehr hilfreich, vor allem, wenn es um Risiko-Produkte wie nuss- oder milchfreie Weihnachtschokolade oder Schokocreme geht – bloß: Was ist mit den „ganz normalen“ Alltags-Produkten wie Wurst, Käse, Brot, Joghurt?

Klare Regelungen für die Spurenkennzeichnung wären wichtig, sind aber noch in weiter Ferne

Klare gesetzliche Regelungen für die Spurenkennzeichnung wären für Allergiker ein Traum. Davon sind wir aber noch weit entfernt.

 

Was wir brauchen, sind sauber arbeitende und sorgfältig deklarierende Hersteller von „ganz normalen Lebensmitteln“, denen bewusst ist, dass es eine Vielzahl von Allergikern gibt, die auf solche Informationen angewiesen sind. Dafür müssen wir sie immer wieder anschreiben und auf uns aufmerksam machen.

 

Und andererseits müssen wir in Kauf nehmen, dass wir keine 100%-Garantie bekommen. Ein Restrisiko bleibt immer, wie sonst auch im Leben.

 

Und dieses Restrisiko ist bei verpackten Lebensmitteln immerhin noch besser kalkulierbar als bei den offen verkauften Lebensmitteln – siehe mein Brötchen-Erlebnis…

 

Herzlichst
Kristina Schmidt

 

P.S. Mein Sohn hat natürlich nichts von den Brötchen bekommen!

 

P.P.S. Kann Spuren von Wissen enthalten!

 

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