Über die psychischen Herausforderungen im Allergie-Alltag und wie du dich dabei selbst nicht verlierst!
„Kristina, du wirkst sooo stark – wie hast du es geschafft, so positiv mit der Allergie umzugehen?“
Puh, stark… Ja, tatsächlich bin ich seit einigen Jahren sehr stark.
Aber anfangs war ich es nicht.
Daher nehme ich die Blogparade von Technikelfe Sara Menzel-Berger zum Thema „Psychische Gesundheit“ zum Anlass, dich an meinem Weg zur Stärke und zum positiven Umgang mit potenziell lebensbedrohlichen Nahrungsmittelallergien meines (mittlerweile 15jährigen) Sohnes teilhaben zu lassen und meine wichtigsten Gedanken dazu an dich weiterzugeben.
Und nein, es sind weder Esoterik-Tipps noch alternative Heilmethoden oder gar teure Wundermittel beteiligt! 🙃
Kleine Warnung und Disclaimer:
Über meinen Weg raus aus der Angst und hin zur Stärke könnte ich ein ganzes Buch schreiben… Daher kann dieser Artikel nur ein Überblick mit den wichtigsten Tipps für dich sein und ist dennoch sehr lang geworden.
Lies ihn trotzdem bis zum Schluss, es lohnt sich!
Oder hör dir die 12 Tipps im Podcast an – hier und in allen gängigen Podcast-Apps:
- Was bedeutet Selbstfürsorge?
- Psychische Dauerbelastung von Allergie-Müttern*
- Anaphylaxie-Trauma
- (Unerfüllte) Bedürfnisse
- Mein Weg zum positiven Umgang
- 1. Wissen ist Macht!
- 2. Fokus darauf, was JETZT ist
- 3. Blick nach vorn anstatt zurück
- 4. Fokus auf das, was geht
- 5. Positive, verbindende, lösungsorientierte Kommunikation
- 6. Allergie-Akzeptanz
- 7. Gerechtigkeit
- 8. (Selbst)Vertrauen
- 9. Me Time und We Time mit Genuss
- 10. Professionelle Hilfe
- 11. Gemeinschaft und Austausch
- 12. Realistische Risikoabwägung
- Fazit
⚠️ Dieser Artikel beinhaltet persönliche Erfahrungen und allgemeine Hinweise, die keine ärztliche oder psychotherapeutische Beratung ersetzen. Wenn deine Ängste zu groß sind, sie dein Leben bestimmen und du dich dauerhaft traurig und niedergeschlagen fühlst, such dir bitte professionelle Hilfe! Ansprechpartner*innen hierfür können Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen und Beratungsstellen sein.
Los geht’s:
Was bedeutet eigentlich Selbstfürsorge?
Selbstfürsorge ist ja gerade im Zusammenhang mit der Überlastung von Müttern in aller Munde. Gemeint ist (vereinfacht gesagt) der achtsame Umgang mit den eigenen Bedürfnissen im allgemeinen Alltags-Wahnsinn.
Mit Hashtags wie #MeTime oder #WeTime dokumentieren Mütter gern in Social Media (zumindest in meiner „Bubble“) Momentaufnahmen der Selbstfürsorge – z.B. als Foto einer Tasse Kaffee, die man sich gönnt, während das Kind gerade XY macht… Tatsächlich sind diese kleinen Auszeiten schön, und wenn man sie genießen kann, ist das ein guter Schritt in Richtung Selbstfürsorge.
Selbstfürsorge fällt vielen Müttern im alltäglichen Arbeiten, Kümmern und Organisieren ohnehin schwer. Kommt dann noch eine chronische Erkrankung des eigenen Kindes hinzu, wird es noch schwerer. Dabei ist es gerade dann angesagt, nicht nur gut fürs Kind (und ggf. Geschwister) zu sorgen, sondern auch für sich selbst als Einzelperson und als Paar.
Allerdings: Dauerhafte Selbstfürsorge – im Sinne von „mit sich selbst fürsorglich umgehen“ und „für die eigene (psychische) Gesundheit sorgen“ – umfasst mehr als nur kleine Momente.
Psychische Dauer-Belastung von Allergie-Müttern
Bloß: Wie kann Selbstfürsorge gelingen,
- wenn du in ständiger Angst um dein Kind lebst?
- wenn du in jedem Essen Gefahr für dein Kind siehst?
- wenn bei jedem Stück Kuchen oder Eis, dass du dir auswärts „gönnst“, ein schlechtes Gewissen mitschwingt, weil du es quasi hinter dem Rücken deines Kindes genießt, das aufgrund seiner Nahrungsmittelallergien auf diesen unbeschwerten Genuss verzichten muss?
- wenn jedes schöne Ereignis – Geburtstage, Feste, Einladungen, Essen gehen, Urlaub – mit hohem Organisationsaufwand, anstrengenden Vorbesprechungen, zermürbenden Ängsten und häufig Unverständnis oder sogar Ablehnung verbunden ist?
- wenn du dich von befreundeten Müttern nicht wirklich verstanden fühlst, während du ständig die Umgebung deines Kindes nach „Allergenquellen“ scanst und in die Picknickboxen der anderen Mütter auf dem Spielplatz schaust, anstatt einfach mal nur deinem Kind beim Spielen zuzuschauen?
- wenn du jeden Tag den Anruf aus der Kita oder Schule fürchtest, weil irgendwo ein klitzekleiner Fehler unterlaufen sein könnte, der dein Kind in potenzielle Lebensgefahr bringt?
- wenn du dein Kind nicht – oder nur mit großer Sorge – abgeben kannst, weil die Kita sich weigert, Allergene zu vermeiden, Notfallmedikamente anzuwenden oder dein Kind überhaupt zu betreuen, oder weil selbst die Großeltern die Allergie nicht ernst nehmen (schließlich gab es früher auch keine Allergien…)?
- wenn du (entgegen deiner Überzeugung) deine Arbeitszeiten massiv reduzieren oder deinen Job sogar ganz aufgeben musst, weil du aufgrund der Allergie erst gar keinen Kita-Platz bekommst oder dein Kind schon mittags abholen musst, weil eine Versorgung mit Mittagessen oder einem Ganztagsplatz im Hort nach der Schule abgelehnt wird?
Ich könnte diese Liste endlos fortsetzen…
Wenn du auch nur bei einem oder zwei Punkten zustimmend genickt hast, dann weißt du, wovon ich rede.
Selbstfürsorge ist da umso wichtiger – und wirklich schwierig…
Wie war das bei mir vor 11 Jahren?
Anaphylaxie-Trauma: Wie es bei mir war…
2011 war ich ganz unten – emotional, psychisch, mental. Was sich dramatisch anhört, fühlte sich auch dramatisch an:
Nach vier anaphylaktischen Schocks innerhalb von nur 9 Monaten (darunter einer Nacht auf der Intensivstation, bei der mein damals 4jähriger Sohn erst nach einigen Stunden „übern Berg“ war) sowie der Suche nach den Auslösern und der ärztlichen Mitteilung, dass mein Sohn an kleinsten Mengen Nuss sterben kann und wir nun immer und überall ein Notfallset mit einer lebensrettenden Adrenalin-Spritze mit uns führen müssten – nach all dem war ich tatsächlich traumatisiert.
…und wie ich trotzdem weiter „funktioniert“ habe…
Obwohl es mir damals so schlecht ging, habe ich einfach weiter „funktioniert“, gearbeitet, mich um alles gekümmert. So machen wir Mamas das, oder?
Zum ohnehin schon irrsinnigen Alltagsstress mit Job und kleinen Kindern gesellten sich nun unfassbar viele Fragen, noch mehr schlaflose Nächte mit Albträumen und kaum zu beschreibende Ängste.
Ich war völlig verzweifelt, weil ich vor meinem inneren Auge die Zukunft meines kleinen Sohnes plötzlich nur noch als Bedrohungsszenario sah – und wie lange würde dieses Leben denn überhaupt dauern können?
Jeden Morgen stand ich am Bett meines Sohnes und habe mich gefragt, ob er noch atmete.
Ich hatte Flashbacks und bestand eigentlich nur noch aus Angst. Ich hatte ohnehin eine Tendenz zum Grübeln und Sorgenmachen – und nun befand ich mich in einer scheinbar ausweglosen Dauer-Angst-Schleife.
Selbstfürsorge? Ich kannte nicht mal das Wort…
(Unerfüllte) Bedürfnisse von Allergie-Müttern
Rückblickend weiß ich, dass meine Ängste und negativen Gefühle damals viel mit ganz zentralen Bedürfnissen zu tun hatten, die wir alle haben und die mit der Allergie eine ganz neue Bedeutung bekamen, nämlich den Bedürfnissen nach:
- Sicherheit (➡️ für mein Allergie-Kind)
- Wertschätzung und Respekt (➡️ für seine und unsere Allergie-Situation)
- Akzeptanz und Zugehörigkeit (➡️ für ihn beim Essen und in allen Gemeinschaftsaktivitäten)
Ich wollte keine Angst mehr haben, ich wollte wieder mehr Leichtigkeit und Gelassenheit spüren können, wieder spontan sein…
Ich wollte meinem Sohn all diese schlimmen Erfahrungen von Anaphylaxie-Symptomen, Verzicht und möglicherweise Ausgrenzung ersparen und ihm ein unbeschwertes, sorgenfreies Kinderleben ermöglichen!
Ich wollte unser „normales Leben“ zurück – und damit meinte ich das Leben VOR der Diagnose!
Aus meiner jahrelangen Beratungspraxis weiß ich heute, dass es sehr, sehr vielen Allergie-Müttern so geht. Daher möchte ich dir zeigen, dass du nicht allein bist und dass es einen Weg raus aus der Dauer-Angst hin zu einer starken, positiven Haltung gibt!
Mein Weg zum positiven Umgang mit der Allergie
Heute, mit 11 Jahren Abstand, kann ich sagen, dass die Allergie mich zu einem anderen, „besseren“ Menschen gemacht hat. Klingt pathetisch, aber so ist es. Sie ist Teil eines Prozesses der Persönlichkeitsentwicklung, den ich ohne Allergie wahrscheinlich nicht – oder zumindest nicht so – durchgemacht hätte. Ich habe Fähigkeiten in mir entdeckt und Kräfte entwickelt, die ich vorher nicht kannte. All das ist natürlich nicht über Nacht geschehen, und auch nicht von allein passiert. Ich habe viel an mir gearbeitet und in mich investiert – und zwar Zeit, Energie und auch Geld. Für Recherche, Schulungen, Weiterbildungen, Ehrenamt u.v.m., bis hin zum Berufswechsel raus aus dem sicheren Beamtenstatus hinein in die Selbstständigkeit als Anaphylaxieberatung und Coach für Allergie-Familien.
Wenn du die folgenden 12 Tipps liest und gerade am Anfang stehst, dann such dir erstmal nur einzelne Aspekte raus, mit denen du kleine Veränderungen und damit kleine Schritte Richtung Selbstfürsorge anstößt.
1. Wissen ist Macht!
Wenn Essen zur diffusen Bedrohung wird, entsteht ein Gefühl von Kontrollverlust. Je mehr du über die Allergie, die Einschätzung von Symptomen, die Wirkung der Notfallmedikamente und die konsequente Allergenvermeidung weißt, umso eher erscheint der Alltag wieder kontrollierbarer und weniger bedrohlich. Das Bedürfnis nach Sicherheit wird wieder erfüllt – zumindest im eigenen Zuhause.
Unser Zuhause haben wir als „sicheren Hafen“ erklärt, d.h. Lebensmittel mit Nüssen oder „Spuren von Nüssen“ finden gar nicht erst den Weg in unsere Küche. Dieses Wissen trägt für alle in der Familie zur Entspannung bei. Voraussetzung: Beim Einkaufen werden Zutaten und Spurenhinweise auf jeder einzelnen Verpackung gründlich gelesen.
Uns hat damals im ersten Schritt eine Eltern-Anaphylaxieschulung geholfen, in der wir das wichtigste zum Notfallmanagement und zur Vermeidung von Allergenen gelernt haben. Danach habe ich viele, viele Lebensmittelhersteller angeschrieben, um etwas über deren freiwillige Spurenkennzeichnung zu erfahren. Und ich habe das englischsprachige Internet nach seriösen (!) Informationen über Nahrungsmittelallergien und Anaphylaxie durchforstet – ich spreche hier von 2011/ 2012, da war das Thema in Deutschland noch wenig(er) präsent. Später habe ich mich weitergebildet, Fachbücher gelesen, beim Deutschen Allergiekongress Vorträge angehört und mich als Anaphylaxietrainerin qualifiziert. Gut, die letzten Schritte musst du alle nicht tun… 😉
Zum Wissen gehört für mich übrigens auch die Klarheit über die Diagnose und die tatsächliche (nicht nur befürchtete) Gefahr dahinter. So haben wir in den letzten 11 Jahren (Stand 05/2022) fünf stationäre Provokationstests mitgemacht – von „negativ“ = ohne Reaktion bis Intensivstation war alles dabei. Jeder einzelne Test hat uns mehr Klarheit, mehr Sicherheit und dadurch mehr Lebensqualität gebracht!
2. Fokus darauf, was JETZT ist
…und nicht auf das, was möglicherweise sein könnte!
Normalerweise hat dein Kind keine anaphylaktischen Reaktionen auf Nahrungsmittel – sie schweben „nur“ als Drohkulisse über jeder Mahlzeit, jeder Betreuungssituation, jeder Gruppenaktivität.
Normalerweise vergehen Monate oder sogar Jahre bis zur nächsten versehentlichen Reaktion (im Ärztesprech: „Diätfehler“), und trotzdem ist die Angst davor immer präsent.
Mir hat es sehr geholfen, mich auf das Hier und Jetzt zu fokussieren:
- wie unbeschwert mein Sohn jetzt spielt!
- wie glücklich er jetzt lacht!
- wie gut ihm jetzt das (vorverpackte) Eis schmeckt!
Es geht ihm jetzt gut, und das zählt!
Hierzu gehört auch der…
3. Blick nach vorn anstatt zurück
Hierzu lege ich dir wiederum meinen Artikel „Die WARUM-Falle“ ans Herz!
Nur ganz kurz: Ich habe (nach professionell begleiteter Trauma-Verarbeitung, s.u.) gelernt, nicht im Blick zurück zu verharren, sondern nach vorne zu schauen und weiterzugehen.
Und zwar mit dem…
4. Fokus auf das, was geht
…und nicht darauf, was alles nicht geht!
Es gibt immer Alternativen und es ist Vieles möglich, was auf den ersten Blick unmöglich erscheint!
Daher frage ich nicht, ob etwas geht, sondern wie etwas gehen kann!
Motto: Es geht um die Lösung, nicht um das Problem!
Das gelingt u.a. durch meine…
5. Positive, verbindende, lösungsorientierte Kommunikation
Das ist ein seeehr weites Feld und hat viel mit meiner grundsätzlichen Haltung zu tun… Vielleicht an dieser Stelle nur so viel:
Durch Sprache können wir sowohl bei uns selbst als auch bei unseren Gesprächspartner*innen sooo viel bewirken!
Lass doch mal die folgenden Beispiele auf dich wirken:
Mein Kind leidet unter einer Erdnussallergie oder Mein Kind hat eine Erdnussallergie.
Kann mein Kind in der Kita mitessen oder Wie kann mein Kind in der Kita mitessen?
Bitte grenzen Sie mein Kind nicht aus oder Bitte beziehen Sie mein Kind mit ein.
Ich habe gelernt, meine Sprache zu hinterfragen und bewusst so einzusetzen, dass ich mein Gegenüber „abholen“ kann und wir gemeinsam Lösungen finden können und wollen. Das Konzept und die Haltung der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) helfen mir in diesem Zusammenhang sehr.
Achte doch mal darauf, wie du mit dir selbst, mit deinem Kind und mit anderen Menschen über die Allergie sprichst.
Und schon sind wir bei den nächsten Punkten, nämlich Akzeptanz, Gerechtigkeit, (Selbst)Vertrauen und Me Time:
6. Allergie-Akzeptanz
Die Allergie als Teil unseres Lebens, vor allem als Teil des Lebens meines Kindes zu akzeptieren anstatt damit zu hadern – das gehört wohl mit zu den schwersten Hürden. Lange habe ich mich innerlich dagegen gewehrt, weil es sich wie Kapitulation anfühlte: Würde das nicht bedeuten, dass ich aufhöre, für mein Kind zu kämpfen?
Nein, würde es nicht. Es bedeutet lediglich, sich in einer neuen Normalität einzurichten und zurechtzufinden, und dafür zu sorgen, dass es uns allen darin gut geht. Glücklich sein kann man auch mit und trotz Allergie!
Dementsprechend betrachte ich z.B. das Notfallset mit Adrenalin-Pen nicht als Last oder schwere Bürde, sondern als Selbstverständlichkeit, die dazugehört wie mein Handy, Portmonee und Schlüssel, wenn ich das Haus verlasse. Ich habe auch nie in Frage gestellt, ob wir es in Situation XY vielleicht zu Hause lassen können, weil eh nichts gegessen wird – genauso wenig, wie ich in Frage stelle, ob ich mich für die kurze Strecke zum Supermarkt im Auto anschnallen soll, wenn eh kein Verkehr ist… Natürlich schnalle ich mich an, es gibt keinen plausiblen Grund, es nicht zu tun. Mit genau dieser Selbstverständlichkeit trägt heute mein Sohn sein Notfallset bei sich – trotz Pubertät.
7. Gerechtigkeit
Auch das ist so ein Punkt, auf dem ich früher herrlich hängenbleiben konnte: Ungerechtigkeit!
Ist es nicht wahnsinnig ungerecht, dass mein Kind diese Einschränkungen hat und andere nicht? Abermals verweise ich auf meinen Artikel „Die WARUM-Falle“…
Meine nicht-allergische Tochter fand es übrigens auch wahnsinnig ungerecht, dass wir „nur wegen F…“ in keine Eisdiele gegangen sind!
Aber anstatt zu hadern, konnte ich den Begriff „Gerechtigkeit“ für mich neu definieren, und zwar nicht im Sinne von „alle gerecht = gleich behandeln“, sondern im Sinne von „jedem individuell gerecht werden“.
Natürlich kann ich mit der Ungerechtigkeit hadern. Ich kann aber auch annehmen, dass die Dinge für uns so sind, wie sie sind (s. Akzeptanz) und das Beste daraus machen! Wenn ich mit meiner Tochter allein unterwegs war, sind wir bewusst Eis essen gegangen – das war ihre Mama-Tochter-Zeit! Wenn sie woanders war, konnte sie immer essen, was sie wollte. Mit meinem Sohn bin ich stattdessen zum „goldenen M“ gegangen. Und er hat sich übrigens oft darüber gefreut, dass er sein eigenes Essen dabei hatte, wenn die anderen über das Catering geschimpft haben… 😉
8. (Selbst)Vertrauen
Auch wenn die Situation anfangs überwältigend erscheint und du dir nicht vorstellen kannst, wie du und dein Kind und ihr als Familie jemals unbeschwert damit umgehen sollt… Glaub daran!
Du schaffst das! Dein Kind schafft das!
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen:
Auch wenn es bei kleinen Kindern unvorstellbar erscheint, werden sie größer. Sie werden mit der Allergie aufwachsen und dieses Leben als ganz „normal“ empfinden. Und du wirst lernen, ihm nach und nach zu vertrauen.
9. Me Time und We Time mit Genuss
Die eingangs erwähnten Auszeiten allein und auch als Paar, in denen ihr euch nur um euch selbst kümmert, sind enorm wichtig. Wir hatten das Glück, dass die Großeltern im Haus wohnen und sich von Anfang an voll auf die Allergie eingestellt haben. So konnten wir schon früh unsere Auszeiten nehmen, mal Essen gehen, mal übers Wochenende wegfahren.
Und ja, in diesen Zeiten genießen wir bewusst sonst „Verbotenes“: ein Stück Torte aus der Konditorei, indische oder chinesische Küche, Erdnüsse aus der Dose… ohne schlechtes Gewissen, denn das würde eh nichts ändern!
Ich selbst habe jeden Dienstag meinen Jour fix: Chorprobe! Singen ist für mich ein Lebenselixier – auch das hat mir immer durch schwere Zeiten geholfen und tut es bis heute! Hast du Spaß am Singen? Singst du in einem Chor? Ich kann es dir nur wärmstens empfehlen! Ebenso wie Sport (bei mir: Laufen) oder Spazierengehen, Radfahren – whatever makes you happy…
Sei dir gut! Seid euch als Paar gut!
10. Professionelle Hilfe
…ist sooo wichtig, in jeder Hinsicht!
- Ärzt*innen und ggf. eine qualifizierte Ernährungsberatung, die sich mit „echten“ Nahrungsmittelallergien auskennen (auch wenn man dafür weitere Strecken fahren muss…)
- eine Anaphylaxieschulung für die wichtigsten Basis-Informationen
- Patientenorganisationen wie der Deutsche Allergie- und Asthma-Bund (DAAB) e.V. und das von mir 2014 gegründete Nuss/ Anaphylaxie Netzwerk (NAN) e.V.
- psychotherapeutische Hilfe, wenn die Angst zu dominant wird oder Traumata aufzuarbeiten sind (ja, auch ich hatte eine wunderbare Psychotherapeutin, die mir bei der Angst- und Trauma-Bewältigung geholfen hat)
- Begleitung bei den vielen einzelnen Fragen, die mit dem Aufwachsen des Allergie-Kindes nach und nach auftauchen: Kita- und Schulstart, Schwerbehindertenausweis, das Kind schulen und stärken, u.v.m. – wie ich es z.B. in meinen Einzelberatungen, Kinderschulungen, Großelternschulungen und in der ALLERGIE-FAMILY anbiete.
11. Gemeinschaft und Austausch
Andere Allergie-Familien zu finden, war damals ganz essentiell für mich und uns als Eltern, und auch für unsere Kinder! Sich verstanden fühlen, mit Menschen über die Allergie-Sorgen sprechen, die genau wissen, wovon du sprichst, sich über all die Alltagsfragen austauschen – das ist unbeschreiblich hilfreich!
Ich habe damals die erste Facebookgruppe gegründet und ehrenamtlich den NAN e.V. aufgebaut. Austausch in Facebookgruppen ist eine Möglichkeit, aber wirkliche Verbindung entsteht erst bei echten Gesprächen, wie bei den Zoom-Treffen, wie ich sie heute in der ALLERGIE-FAMILY sowohl für Eltern als auch für Kinder veranstalte.
12. Realistische Risikoabwägung
100% Sicherheit gibt es nie, so viel ist sicher. Wie hoch ist das Restrisiko, das wir in Kauf nehmen möchten?
Auch das ist ein Punkt, in den wir uns über die Jahre erst „hineinleben“ mussten und den jede Familie nur individuell für sich ermitteln kann:
Wie hoch schätzen wir das tatsächliche Anaphylaxie-Risiko in den jeweiligen Situationen ein? Jenseits von dem gefühlten Risiko? (vgl. Tipp Nr. 2 und 4)
Wir waren und sind sehr gründlich und konsequent in der Allergenvermeidung, auch Spurenmeidung. Allerdings unterscheiden wir heute z.B. zwischen sog. Risikoprodukten und weniger riskanten Produkten. Auch Situationen wie Bus- und Bahnfahren, Sportveranstaltungen, Kino und sonstige Freizeitaktivitäten empfinden wir heute nicht mehr als riskant, weil wir grundsätzliche Allergie-Regeln einhalten und entsprechend planen und kommunizieren können. Es gibt halt ein paar „DOs“ und „DON’Ts“, und ansonsten ist alles ganz „normal“!
FAZIT:
Ich könnte noch stundenlang weiterschreiben, aber das ist es im Wesentlichen, wie ich zu meiner Stärke und positiven Haltung rund um die Allergie gefunden habe, die ich heute an andere Eltern, Kinder und Familien weitergebe.
Unterm Strich geht es immer um Gefühle, Bedürfnisse und Kommunikation. Und darum, Verbindungen zwischen Menschen zu schaffen.
Und falls du dich jetzt fragst, ob ich nicht auch meine traurigen Allergie-Frust-Momente habe: Na klar habe ich die! Und sie kriegen ihren Raum!
Aber danach heißt es: Aufstehen, Krönchen richten, weitermachen.
Das Leben ist schön! 😊 Und vergiss nicht:
Nicht die Allergie bestimmt unser Leben, sondern wir bestimmen unser Leben mit der Allergie.
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* Wenn ich im Text von Mamas und Müttern schreibe, meine ich die Personen, die in der Familie die hauptsächliche Care-Arbeit leisten. In den meisten Fällen sind es die Mütter, aber gemeint sind genauso die Väter, Partner*innen in Patchwork-Familien, Großeltern usw.