Die WARUM-Falle: Warum Nahrungsmittelallergien? Warum Anaphylaxie?

„Warum hat ausgerechnet mein Kind eine Erdnussallergie, Nussallergie, Milchallergie etc. mit Anaphylaxie-Risiko?“

Wenn du dir diese Frage auch schon gestellt hast, findest du hier Antworten:

  • warum die Warum-Falle eine Falle ist,
  • wieso du nicht hineintappen solltest
  • und wie du wieder rauskommen kannst!*)

(…hier auch zum Anhören im Nuss-Knacker-Podcast:)

*) Triggerwarnung und Disclaimer: Wenn du in negativen Gedanken, Traurigkeit, Depression oder Ängsten gefangen bist und allein nicht herausfindest, wende dich bitte an eine Ärztin/einen Arzt und suche therapeutische Hilfe! Dieser Text kann dir hilfreiche Gedanken und Anregungen geben, ersetzt aber natürlich keine ärztliche oder therapeutische Behandlung.

Was ist die WARUM-Falle?

Erst neulich bin ich wieder hineingetappt:

Aus einem banalen Gerstenkorn wurde eine heftige Augenhöhlenentzündung, es war von stationärer Aufnahme die Rede, meine Sehschärfe ist eingeschränkt – etwas, das in dieser Ausprägung eher selten vorkommt. Und ich hatte diesen einen Gedanken:

WARUM ICH???

  • Warum passiert das ausgerechnet mir??
  • Warum ausgerechnet jetzt, wenn die ALLERGIE-FAMILY startet und meine Arbeit zu 90% am Bildschirm stattfindet?

Zack, die WARUM-Falle war wieder zugeschnappt!

Anaphylaxie-Diagnose: Quälende Fragen nach der Ursache

Als 2011 bei unserem Sohn die Allergien diagnostiziert wurden und uns das ganze Ausmaß nach und nach klar wurde, hat die Frage nach dem WARUM einen großen Raum eingenommen:

  • Warum ausgerechnet mein Kind???
  • Warum hat mein Kind diese hochgradigen Nahrungsmittelallergien?
  • Warum hat mein Kind dieses zusätzliche Risiko eines potenziell lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schocks?
  • Warum muss mein Kind Notfallmedikamente haben?
  • Warum kann mein Kind nicht so unbeschwert essen und aufwachsen wie andere Kinder?
  • Warum müssen wir diese Anaphylaxie-Traumata durchmachen?

Stellst du dir auch solche Fragen?

Keine Sorge, du bist nicht die einzige, im Gegenteil: Fast allen Eltern, die zu mir in die Beratung kommen, geht es so!

Wieso die Frage nach dem Warum eine Falle ist

Weil es auf diese Fragen keine klaren Antworten gibt!

Und damit sind Warum-Fragen wie eine Sackgasse ohne Wendemöglichkeit. Oder eben wie eine Falle, in die du hineintappst: Sobald die Falle zugeschnappt ist, drehst du dich nur noch im Kreis, kommst aus dem Gedankenkarussell nicht mehr raus und tust dir dabei vielleicht sogar noch weh.

Denn es tut weh, wenn dein Kind diese Diagnose kriegt.

Es tut weh, wenn du dir für dein Kind ein unbeschwertes, sicheres Leben wünschst und stattdessen viele (vermeintliche) Entbehrungen, Einschränkungen und potenzielle Lebensgefahr siehst.

Es tut weh, wenn du wenn du dich fragst, warum es bei deinem Kind so ist und bei anderen Kindern in eurem Umfeld nicht.

Warum Allergien entstehen

Es gibt mittlerweile einige Hypothesen und Erkenntnisse darüber, welche Faktoren die Entstehung von Allergien begünstigen: genetische Komponenten; die Art und Weise von industrieller Lebensmittelherstellung; ein gelangweiltes Immunsystem, das sich im Vergleich zu früheren Zeiten kaum noch mit Bakterien und Keimen auseinandersetzen muss (sog. Bauernhof-Hypothese) etc.

Aber diese Hypothesen helfen dir nicht wirklich weiter, wenn es konkret um dein Kind geht. Im Gegenteil:

Eigentlich geht es bei der Frage nach dem „Warum“ weniger um die Ursache, sondern vielmehr um die Frage nach dem VERursacher oder der VERursacherin.

WER trägt die „Schuld“ daran?

Eigentlich ist es weniger eine Frage als eher ein versteckter Vorwurf.

Wieso du NICHT in die Warum-Falle hineintappen solltest

Die quälende WARUM-Frage führt dazu, dass du dich noch schlechter fühlst, weil sie den Fokus aufs Negative lenkt, und weil der Gedanke daran, was du möglicherweise zur Entstehung der Allergie beigetragen haben könntest, dich noch weiter runterzieht.

Tendenz zur Selbstzerfleischung…

Gerade wir Mütter haben ja manchmal eine fast unerträgliche Tendenz zur „Selbstzerfleischung“:

  • Habe ich in der Schwangerschaft zu viele Cashews gegessen?
  • Ist der Kaiserschnitt schuld?
  • Hätte ich länger stillen sollen?
  • Hätte ich während des Stillens keine Erdnüsse essen sollen?
  • Hätte ich früher oder anders Beikost einführen sollen?
  • Hätten wir aufs Land ziehen sollen?

Zusätzlich wird diese Selbstzerfleischung noch durch einen gesellschaftlichen Hang zu einfachen Wahrheiten befeuert:

  • Zu UNSERER Zeit gab es das nicht!
  • WIR haben noch im Dreck gespielt!
  • MEINE Mutter ist nicht mit der Sagrotan-Flasche hinter uns hergelaufen!
  • WIR haben noch eigenes Gemüse im Garten gezogen!
  • Die HELIKOPTERELTERN von heute verhätscheln ihre Kinder zu sehr!

Solche Kommentare hört und liest man leider zu Hauf in Social Media…

Hättichte sind keine Habichte…

Hättest du oder hättet ihr als Eltern irgendetwas anders machen können? Bestimmt! Man kann ja immer alles anders machen…

Aber hättest du oder hättet ihr damit die Allergie wirklich verhindern oder beeinflussen können? Das kann niemand wirklich beantworten. Und selbst wenn – was würde es jetzt ändern?

Wichtig ist, was jetzt ist, nicht, was hätte sein können!

Wie du aus der WARUM-Falle wieder rauskommen kannst

Indem du deinen Fokus veränderst und dich darauf besinnst, was JETZT ist:

Dein Kind hat jetzt diese Allergien. Sie sind ein Teil seines Lebens, eures Lebens, und du kannst es aktuell nicht ändern. Aber sie sind eben auch nur EIN Teil eures Lebens – neben vielen anderen Teilen. Sie gehören einfach dazu und ihr könnt damit umgehen. Es lohnt sich, den Fokus darauf zu lenken, wie ihr gut damit leben könnt. Mit anderen Worten:

Es geht um die Lösung, nicht um das Problem!

Also konzentriere dich auf das Hier und Jetzt, wenn deine Gedanken zurück in die Vergangenheit („Warum…?“) oder voraus in die ungewisse Zukunft wandern wollen. Vielleicht kennst du die Philosophie von Beppo Straßenkehrer aus dem Roman „Momo“ von Michael Ende? Ich zitiere:

Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen, denkt man. Und dann fängt man an, sich zu eilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedes Mal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt.

Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst zu tun und zum Schluss ist man ganz außer Puste und kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht machen. Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du?

Man muss immer nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.

Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht außer Puste. Das ist wichtig.

Dankbarkeit: Dein Kind ist ein ganz normales Kind – mit Allergien!

In der Regel ist es so, dass Allergien zu den unsichtbaren chronischen Erkrankungen gehören und dass es unseren Kindern gut geht, so lange sie nicht mit ihren Allergenen in Kontakt kommt. Und dafür können wir dankbar sein.

Du könntest dir bewusst machen,

  • wie gut es deinem Kind geht
  • was gut läuft
  • welche schönen Momente es heute gab
  • wie dein Kind heute gestrahlt hat
  • wie toll die Erzieherin in der Kita heute an die Allergie gedacht hat
  • wie viele Tage, Wochen, Monate ihr schon ohne Reaktion durchs Leben geht
  • was auch immer es in eurem Leben gibt, wofür du dankbar bist…

Wenn du dir z.B. jeden Abend vor dem Einschlafen 3 Dinge bewusst machst, für die du heute dankbar bist – wie würde sich das anfühlen?

Akzeptanz: die Situation annehmen und das Beste daraus machen

Unsere Kinder können mit, trotz und sogar durch die Allergie zu starken Persönlichkeiten heranwachsen. Vielleicht hilft es dir, zu lesen, wie betroffene Jugendliche sich dazu äußern. Hier z.B. im Blogbeitrag einer 15-Jährigen:

Obwohl Allergien lästig und manchmal sehr überwältigend sein können, wäre ich ohne sie nicht die Person, die ich heute bin. Sie haben mir so viele wertvolle Dinge beigebracht und mir erlaubt, die Welt aus einer anderen Perspektive zu sehen. Ich versuche immer, positiv zu bleiben und mich auf die Dinge zu konzentrieren, die ich tun kann, anstatt auf das, was ich nicht kann. (übersetzt aus „Growing up with food allergies“)

Es ist wie es ist, und es ist alles zu etwas gut.

Wenn es dir nach und nach gelingen kann, das zu akzeptieren, hast du schon ganz viel geschafft!

Dennoch wird es immer wieder einen schlechten Tag geben, an dem du dich mit WARUM-Fragen quälst und dich die Traurigkeit überwältigt. Das ist völlig normal und gehört dazu.

Dann heißt es: Aufstehen, Krönchen richten, weitermachen.

Leichter wird es, wenn du nicht allein bist, sondern dir andere betroffene Familien suchst, und die fachkompetente Hilfe in Anspruch nimmst, die für eure Situation gerade passend ist – sei es ärztlich, therapeutisch, eine Ernährungsberatung, eine Patientenorganisation, oder eine begleitete Community wie die ALLERGIE-FAMILY, oder was auch immer bei euch gerade dran ist.

Du bist nicht allein! Ihr seid nicht allein!

Abschließen möchte ich mit dem bekannten Zitat (ursprünglich Gebet):

„Gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,

den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,

und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“

Herzlichst

Kristina Schmidt

P.S. Kann Spuren von Wissen enthalten!

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